Ein Friedrichshagener Bürger. Das betont er, denn häufig werde er nur in seiner beruflichen Funktion wahrgenommen. Er ist Geschäftsführer der Sozialstiftung Köpenick, am Standort Werlseestraße. Kein Schlendern über die Bölschestraße ohne immer wieder gegrüßt zu werden: „Mir fällt nicht immer sofort jeder Name ein, aber ich kenne die Gesichter“, erzählt er. Als Bürger wie als Geschäftsführer, privat wie beruflich. Von den 482 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Sozialstiftung kommen etwa zehn Prozent aus Friedrichshagen. Die Chancen, ihnen im Ort zu begegnen, sind groß. Dazu kommen die Bewohner der Wohnstätten, ihre Angehörigen, Freunde und Nachbarn. Und Schülerinnen und Schüler der beiden weiterführenden Schulen, insbesondere der Bölscheschule. Die Sozialstiftung kooperiert eng mit den lokalen Akteuren: KiezKlub, Altes Rathaus, Kirche, Bürgerverein, Sportvereine. Und eben die Schulen, die im Rahmen von Projekttagen über - so wörtlich „Tod und Sterben“ - und im Rahmen von Praktika eine enge Verbindung zur Sozialstiftung haben. Ein Projekt begeistert ihn besonders: junge Leute interviewen ältere Bewohner des Hauses und präsentieren ihre Ergebnisse. Geschichten aus langen, erfahrungsreichen Leben.
Wenden im Leben
Zwei Wenden hat Rainer Kleibs, der gebürtige Altglienicker mit Kindheit in Friedrichshagen, miterlebt. Er war Krabbelkind, als die Mauer gebaut wurde. Als erwachsener Mensch konnte er diese 1989 fallen sehen. Gelernter Schlosser, Diplom-Ingenieur Maschinenbau und seit 2013 Master in Social Administration. „Man lernt nie aus“, fasst er seinen beruflichen Werdegang zusammen. Bevor er 2016 nach Friedrichshagen zurückkehrte um seine Arbeit als Geschäftsführer der Sozialstiftung aufzunehmen, arbeitete er in Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt, wo er zuletzt acht Jahre lang Landesgeschäftsführer des Deutschen Roten Kreuzes war. Leben und wohnen unterscheidet er seitdem, denn wohnen tut er schon lange hier. Wohnen geht an vielen Orten, Leben findet für ihn nun endlich auch in Friedrichshagen statt. Privat wie beruflich. „Warum hast Du die Sozialstiftung nicht genannt?“ wurde er im Anschluss an eine Podiumsdiskussion vor den letzten Bundestagswahlen gefragt. Er hatte diese moderiert. Er - als Bürger Rainer Kleibs - nicht als Geschäftsführer. Derartige Irritationen nimmt er gelassen, „Rollenambivalenz“ nennt er solche Situationen.
Gut vernetzt
Vernetzung sprengt die Grenzen zwischen privat und beruflich. Als Bürger ist er im Bürgerverein, als Geschäftsführer in sozialer Mission unterwegs. Unterwegs ist er gern. Das offenbart die Frage nach Hobbies, Sport und Lieblingsort: Mit seiner Frau und dem Hund Spazierengehen im Hirschgartendreieck: „Das ist unglaublich: man kann viele Kilometer laufen, ohne einen Weg doppelt zu gehen. Dieses kleine Waldstück wird völlig unterschätzt. Viele kennen nur den R1-Weg rund um den Müggelsee.“ Geerdet zeigt er sich bei der Nachfrage nach weiteren sportlichen Hobbies. „Tauchen“, bekennt er spontan. Klingt nach bunten Riffen und Rotem Meer. Er aber taucht sehr gern in heimischen Binnengewässern und der Ostsee. Auch das werde, siehe Hirschgartendreieck, unterschätzt. Understatement auch beim Radsport. Ach, winkt er ab, er fahre halt nur mit dem Fahrrad zur Arbeit. Aber die Arbeit ist nicht nur in Friedrichshagen. Auch Termine in anderen Ortsteilen werden mit dem Rad angefahren. Wo er denn sein Fahrzeug geparkt habe, wurde er beim Bundestagsabgeordneten in Baumschulenweg gefragt. „Na, hier“ zeigte er auf den Fahrradständer.
PflegeEvolution statt PflegeRevolution
Für die Verbesserung der Pflege wurde in den letzten Jahren viel getan. Revolutionär viel. Anerkennung zollt Rainer Kleibs auch den Vorhaben einer möglichen neuen Regierung. Aber nun müsse auch mal Ruhe einkehren, die Verbesserungen in der Pflege müssen sich erst etablieren und bewähren. Es brauche eine PflegeEvolution vor der nächsten PflegeRevolution. Dennoch gebe es offene Baustellen. Zwei große Herausforderungen skizziert Rainer Kleibs, und sie haben mit Lebens- und Wohnraum zu tun. Zum einen der Mangel an Pflegepersonal. Dem müsse dringend mit mehr Ausbildungsplätzen und besseren Arbeitsbedingungen abgeholfen werden. Das kann so einfach sein: wer hier arbeitet, will auch hier leben, muss also bezahlbar wohnen können. Damit kommt er ohne Umwege zur zweiten Herausforderung. Sie trägt den sperrigen Namen: Wohnraumversorgung für Menschen mit Unterstützungsbedarf. Was sich dahinter verbirgt erläutert Rainer Kleibs: „Viele ältere alleinstehende Menschen würden ihre große Wohnung aufgeben, wenn sie dafür eine kleinere Wohnung finden, die nicht mehr kostet.“ Er lobt die zunehmend barrierefreie Ausstattung in neuen Wohnobjekten. Barrierefrei sei jedoch nicht gleich rollstuhlgerecht, mahnt er. Da sei noch Handlungsbedarf. Zwei konkrete Arbeitsfelder im großen Kontext der Pflege. Und zwei Menschen in einer Person, die diese Aufgaben anpacken: Rainer Kleibs, der Geschäftsführer der Sozialstiftung Köpenick. Und Rainer Kleibs, der Friedrichshagener Bürger, der gern über die Bölschestraße bummelt.
Sozialsitftung Köpenick
Karin Zehrer, 15. Februar 2018