24.05.2018


Wir haben ihr Lächeln nie vergessen - Teil 1


Eine Friedrichshagenerin und ihre Schüler verloren sich seit fast 50 Jahren nicht aus den Augen

Am 29. Januar 1998 verfasste Anke Beißer für die "Märkische Oderzeitung" (MOZ) einen Artikel über den letzten Schultag einer Friedrichshagenerin, die seit 1960 als Lehrerin an der Bruno-Bürgel-Schule in Schöneiche unterrichtet hatte.

20 Jahre später trafen sich Ingeborg Witt sowie ein Teil der ehemaligen Schüler in unserer Redaktion und wir besprachen, wie diese ganz besondere Geschichte aktuell einer etwas breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden könnte...

Vor mehr als 50 Jahren gingen die Anwesenden in dieselbe Schulklasse. Die Familien der Schüler wohnten in Schöneiche, Rahnsdorf oder in Friedrichshagen. Einige haben auch heute noch Ihren Lebensmittelpunkt in einem der Ortsteile rund um den heimatlichen Müggelsee. Ich lerne die Menschen auf einen Schlag durch drei unterschiedliche Zeitepochen, davon zwei der Vergangenheit, kennen. Wenn man eben noch Bilder von Jugendlichen betrachtete, dann hochschaut und gesagt bekommt, "ich muss immer den Kopf so drehen, weil das Hörgerät ist schon in Arbeit, aber noch nicht fertig", dann gibt das nicht nur einen spontanen Lacher, sondern zeugt von einer lebensbejahenden Grundhaltung, die diese besondere Geschichte über Jahrzehnte befeuert haben könnte und die ich im Laufe der Gespräche und des Austauches recht nachvollziehbar erlebe.

Schöneiche sei in den 60er Jahren ein Ort ohne viele Einkaufs- oder Freizeitmöglichkeiten gewesen, berichten sie. "Ist das nicht heute noch so?", werden jetzt vielleicht die Jüngeren fragen...im Vergleich zur Innenstadt von Berlin schon, aber richtig vergleichbar ist es eben nicht. Man fuhr "in die Stadt". Diesen Ausdruck gebrauchen einige auch heute noch. Gemeint war in diesem Fall, man fuhr nach Friedrichshagen oder Köpenick zum Einkaufen, mindestens einmal pro Woche. Wer wollte, durfte auch bis Friedrichstraße, aber zum Zweck des Einkaufs reichte Friedrichshagen. Man musste ja sowieso überall selbst hin, niemand brachte einem etwas ins Haus.  Eine Welt ohne Internet und ohne Mobiltelefone...

1998 nahm Ingeborg Witt im Alter von 60 Jahren Abschied vom Unterrichtsleben. Nach 38 Jahren Dienstzeit an der Bürgelschule in Schöneiche sollte es nun in den Ruhestand gehen. Nicht, dass es aufgrund eines solchen Ereignisses nicht ohnehin ein lachendes und ein weinendes Auge gegeben hätte bei einer Frau, die Ihre Arbeit über Jahrzehnte sehr gern getan hatte. Das Ereignis fiel in etwa zusammen mit dem Abschlussjubiläum einer Ihrer ehemaligen Schulklassen. Einer ganz besonderen Klasse, wie sich spätestens da herausstellen sollte...

Die Menschen jener Zeit waren manchmal gezwungen und häufig bereit, eigenes Vorankommen hinter ein "gesellschaftliches Ziel" zurückzustellen. Diese (übergeordnete) Zielformulierung hatte, sozusagen offiziell, Bestand und wurde selten öffentlich hinterfragt. Im Kontext der Zeit ist das verständlich. Das übergeordnete Ziel entbindet zwar den Einzelnen bewusst von öffentlicher Verantwortung für sein Handeln im Sinne der Zieldefinition (z.B. bei einem Befehl), jedoch nicht von der Verantwortung für die eigene Reflektion der Richtigkeit des Ziels.

Die ehemaligen Schüler und Ihre Lehrerin sind (zusammen) älter geworden. Man spürt Verbundenheit. Diese scheint sich sowohl aus dem jahrzehntelang weiterbestehenden Kontakt als auch aus einer, wie im Fall von Ingeborg Witt, vorgelebten Grundhaltung heraus zu nähren. Unabhängig davon, dass jede/r sein eigenes Leben lebt und leben muss, sei das gemeinsam Erlebte und Erreichte für die ehemaligen Mitschüler sehr wertvoll, betont Heidi B. während des Gesprächs. Dazu habe der gesellschaftlich vorgegebene Rahmen der 60er und 70er Jahre in der DDR einen wichtigen Teil beigetragen, hört man heraus. Die das sagt, hat selbst als Lehrerin gearbeitet.

Ein verbindendes Element in dieser Geschichte scheint die ehemalige Lehrerin zu sein. Die Ex-Klasse überraschte ihre frühere Lehrerin an ihrem letzten Schultag mit einem Spalier aus Wunderkerzen und einer "Schulstunde", in der die Rollen vertauscht wurden. Man "enterte" den Klassenraum. Es wurde ein rundum gelungener Tag, den man, wie manches andere der letzten Jahrzehnte, in einem Video für die Nachwelt festhielt...

 

Teil 2 folgt...

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