Seit meiner Kindheit sitze ich als Steuermann im Achter. Inzwischen sind schon etliche Jahre vergangen, und ich kann die Regatten, an denen ich teilgenommen habe, kaum noch zählen. Einige sind für mich jedoch unvergesslich geblieben. Ein besonderes Erlebnis ist die Langstreckenregatta für Renn-Achter, Head of River Race (HORR), die jährlich im März in London auf der Themse ausgetragen wird. Zu dieser Regatta werden nur Männer zugelassen, Frauen dürfen lediglich steuern. Das Rennen findet genau an der Stelle statt, an der seit 1829 das legendäre Boat Race, das Achter-Duell zwischen den Universitäten Oxford und Cambridge, durchgeführt wird.
Das erste Rennen, Head of River Race, fand 1926 statt und geht auf eine Idee des britischen Rudertrainers Steve Fairbairn zurück. Die Streckenlänge auf dem „Championship Course“ genannten Abschnitt zwischen den Londoner Stadtteilen Mortlake und Putney beträgt rund 6,8 km. Mit 21 Mannschaften hatte man einst begonnen. 1939 starteten schon 154 Ruder-Achter. Seit 1979 dürfen aus Sicherheitsgründen nur maximal 420 Boote an den Start gehen. Die Head of River Race ist inzwischen so beliebt, dass diese Regatta regelmäßig überbucht ist. Was auf der Themse und an deren Ufern zu sehen ist, kann man sich kaum vorstellen. Die Begeisterung der Engländer für den Rudersport ist unglaublich. Davon kann man hier nur träumen.
Dreimal habe ich bisher an dieser Regatta teilgenommen. Die vielen Achter auf dem Wasser zu erleben, das wunderbare Gefühl, zur großen Familie der Ruderer zu gehören - es war überwältigend. Auch das „Head ot the River Amstel“ habe ich schon dreimal miterlebt. Diese Langstreckenregatta ist ein Fluss-Rennen auf der Amstel zwischen Ouderkerk und Amsterdam. Sie wurde erstmals 1933 als eine Frauen-, dann aber auch als Herren-Langstrecken-Meisterschaft organisiert. Seit damals wuchs diese Veranstaltung zum größten Ruder-Event in den Niederlanden an. Gerudert wird in Vierern und Achtern von Ruderern der Altersgruppen zwischen 15 bis 70 Jahren. Starten dürfen Männer und Frauen! An dieser Ruderveranstaltung nehmen mehr als 500 Boote und 4.000 Ruderer und Steuerleute teil. Deutschland ist konstant mit 30 bis 40 Mannschaften am Start. Das Rennen beginnt seit 2007 in Amsterdam und endet in Ouderkerk, vorher war es umgekehrt. Auch die Langstreckenregatten in Deutschland kenne ich aus eigenem Erleben: die Inn-River-Race von Passau, die Langstrecken-Regatta Quer durch Berlin, die Langstreckenregatta Rund um den Wannsee, die Fari-Cup-Langstreckenregatta in Hamburg, die Langstreckenregatta in Fürstenwalde und viele mehr. Besonders beeindruckt hat mich die Roseninsel-Achter-Regatta auf dem Starnberger See mit den guten alten Holzbooten am Start. Das war es!
Hier kam mir die Idee, dass die schönen alten Holzachter in Ehren gehalten werden müssen. Wir sollten auch bei uns auf dem Müggelsee eine Achterregatta starten. Ich sprach mit Ruderkameraden von uns und von anderen Vereinen darüber. Sie waren begeistert. Das war der Anfang der Geschichte von unserer MÜGGELSEE-ACHTERREGATTA.
Am 13.6.1998 starteten vor unserem Bootshaus zum ersten Mal 13 B-Gig-Doppelachter und C-Gig-Doppelachter zu eine Langstreckenregatta über 7 km Richtung Müggelsee und zurück. Später kamen C-Gig-Achter und B-Gig-Achter dazu. Bei hohem Wellengang weichen wir mit unserer Ruderstrecke in Richtung Köpenick aus, aber die km-Zahl bleibt die gleiche. In diesem Jahr bereiten wir die 17. Müggelsee-Achter-Regatta vor, die ganz im Zeichen des 100-jährigen Bestehens unseres Ruderclubs steht.
Unsere Müggelsee-Achterregatta ist nicht so groß wie die Head of River Race von London, aber wir, ein kleiner Verein, tun damit unser Möglichstes, dem Rudersport Ehre zu machen. Wichtig ist zu erwähnen, dass bei uns Männer und Frauen im Achter rudern und unsere Ägir-Frauen in der Gesamtwertung meist besser abschneiden als die Männer. Sie trainieren vorher in zwei Mannschaften! Von Anfang an fand unsere Initiative großen Anklang bei den Berliner Ruderern. Kurze Zeit später meldeten sich auch Brandenburger Vereine aus Rüdersdorf, Fürstenwalde und Flecken-Zechlin zum Start an. Die Meldungen nahmen zu, und die Teilnehmerzahl stieg an. Inzwischen reisen auch Ruderer aus Hamburg, Stralsund, Bremen und Saarbrücken an. Wer einmal bei uns war, kommt immer wieder.
Der Einfachheit halber werden nur die Namen der Boote und der Rudervereine gemeldet, die dann auch bei der Siegerehrung aufgerufen werden. So kommt es, dass bei uns das schnellste „Boot“ den Pokal bekommt, aber natürlich mit großem Hallo werden auch die acht Ruderer mit ihrem Steuermann geehrt. Dabei wird der alte Brauch nicht gebrochen, der Steuermann des siegreichen Achters muss mit Schwung ins Wasser. Der Vorstand unseres Ruderclub Ägir hat es seit der ersten Regatta übernommen, sich um die Formalitäten (und das sind bekanntlich viele) zu kümmern und Genehmigungen einzuholen. Jedes Jahr, wenn der Termin feststeht, werden die Einladungen verschickt und wenige Tage vor dem Regattatermin laufen im Bootshaus die emsigen Vorbereitungen.
Begleitet wird die Achterregatta über den ganzen Tag hin mit viel Musik, Grillwürstchen, Kuchen und Spaß. Die MÜGGELSEE-ACHTER-REGATTA dieses Jahres, die am 28. Juni 2014 beim BRC Ägir, Spreestraße 1, in Friedrichshagen, stattfindet, steht im Zeichen unseres 100-jährigen Bestehens. Es sind kleine Überraschungen für die Aktiven geplant. Am darauf folgenden Sonntag, dem 29. Juni 2014, wird mit einem Frühschoppen noch einmal gefeiert. Zu beiden Veranstaltungen sind Gäste herzlich willkommen!
Meine Ruderkameraden vom BRC Ägir haben mit der Müggelsee-Achter-Regatta vorher, zwischendurch und hinterher einen großen Arbeitsaufwand zu bewältigen. Was nützt die beste Idee, wenn keiner mitmacht. Und sie machen alle mit! Deshalb Ihr Ägir-Leute – Danke!
Autor: Peter Schulz
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