Zeit-Fenster Nummer 2: Der Friedrichshagener Friedhof
1832 notierte der Oberpfarrer der Stadtkirchengemeinde Köpenick, Johann Ferdinand Hasché, im Kirchenbuch, dass es ihm nach vielen Mühseligkeiten, Ärger und Kosten endlich gelungen sei, den [heutigen] Kirchhof in Friedrichshagen vollständig eingerichtet zu haben - am 17. Mai konnte er ihn feierlich einweihen. Doch wo hatten die Friedrichshagener 80 Jahre lang, seit der Gründung Friedrichshagens im Jahre 1753, ihre Toten bestattet?
Der erste Friedrichshagener "Totenhof" lag hinter dem Küstergarten, auf dem Grundstück der heutigen Müggelsee-Grundschule in der Aßmannstraße - malerisch zwischen Birken und zeitweise mit bis zu 40 Maulbeerbäumen (zur Fütterung der Seidenraupen). Erste Erwähnung fand der Friedhof 1765, als die Kirchenverhältnisse der angesiedelten Böhmen geklärt werden sollten. Die reformierten Böhmen weigerten sich, Beerdigungsgebühren zu zahlen. Der Konflikt ging laut Überlieferung so weit, dass sie dem Küster eine Leiche vor die Tür setzten und sagten, er möge sie sich sauer und süße kochen...
1828 war der alte Friedhof überfüllt und bot den jährlich etwa 30 Toten keinen Platz mehr. Zur Anlage des neuen Begräbnisplatzes am heutigen Standort schenkte der preußische König, Friedrich Wilhelm III., der Gemeinde 6 Morgen Köpenicker Forstland. Das Gelände wurde umzäunt und ein hölzernes Portal errichtet; eine gesonderte Fläche sah man für die Gräber von Selbstmördern vor. 1832 fand die erste Beisetzung auf dem neuen Friedhof statt. 1835 wurde der alte Kirchhof geschlossen, und Gebeine, die man dort noch beim Neubau der Gemeindeschule fand, bettete man auf den neuen Friedhof um. 1905 wurde eine kleine Friedhofskapelle eingeweiht, wodurch allmählich der Brauch der Trauerzüge vom Totenhaus zum Friedhof verschwand. Die Kapelle, ein Backsteinbau in romanisierendem Stil, wurde 1925 nach Plänen des Architekten Friedrich Brinkmann, der auch das Friedhofsportal in der Aßmannstraße entwarf, erweitert.
Auf dem Friedhof sind kunstvolle Grabmale erhalten – u.a. geschaffen von Fritz Richter-Elsner, dem Bildhauer und künstlerischen Leiter der Gladenbeck'schen Bronzegießerei Friedrichshagen. Kulturhistorisch bemerkenswert sind die Grabstätten von Johannes Bobrowski, dem Schriftsteller, Erzähler und Lyriker, dessen Grabstein von Wieland Förster entworfen wurde, die moderne Christusskulptur von Fritz Cremer am Grab seines Freundes Dr. Günter Gloede (des Pfarrers der ev. Christophorusgemeinde über 20 Jahre), die Grabstätte der Familie Gladenbeck oder das Grabdenkmal von Fritz Eichberg (Begründer der Zigarettenfabrik Eichberg & Glöden am Müggelseedamm).
Auch die Gräber von Wilhelm Klut (Gemeindevorsteher Friedrichshagens), von Lucie Groszer (Verlegerin, Publizistin, Herausgeberin der Zeitschrift "Die Mark"), vom Ehepaar Tabbert (Gastwirte von "Tabberts Waldschloß" in Hirschgarten), von Carl Spuhn (Erbauer der Baptistenkapelle in der Klutstraße), von Dr. Charlotte E. Pauly (Malerin und Schriftstellerin), von Antje Garden (Sängerin und Moderatorin des DDR-Fernsehens) oder des Flugpioniers Robert Thelen sind hier zu finden.
Der Friedhof der ev.Christophorusgemeinde Friedrichshagen lädt als Gartendenkmal, Geschichtszeuge und mit einer kleinen Ausstellung in jeder Jahreszeit zu einem besinnlichen Spaziergang ein. Und immerhin gilt der Heilige Christophorus nicht nur als Patron der Reisenden und Fuhrleute, sondern auch als Abwender eines schlimmen Todes...
Beate Nündel / April 2006
Beate Nündel ist Autorin des Friedrichshagener Heft Nr. 15: "Zeuge der Kulturgeschichte - Der Friedhof in Friedrichshagen".