Zeit-Fenster Nummer 5: Die Geschichte eines Hauses
Wilhelmstr. 18 (heute Peter-Hille-Str. 87), eine Stadtvilla unter Denkmalschutz
1905/06 nach Plänen des Maurermeisters August Meißner und ihres Bauherrn Carl Peters errichtet, wurde sie im Frühjahr 1906 zum Bezug freigegeben.
Das Abnahmeprotokoll des Bauamtsleiters Schmidt liest sich wie ein Musterbeispiel preußischer Gründlichkeit. So vermerkt es zum Beispiel, dass die „Wände genügend ausgetrocknet“ sind, die „Treppen die vorgeschriebene Laufbreite“ haben und „mit Geländer versehen (sind) , welche ein Durchfallen von Kindern ausschließen“, „die Oefen und Herde vom hölzernen Fußboden vorschriftsmäßig isoliert“ sind. Auch die „Einrichtungen für die Beseitigung der Auswurfstoffe und Wirtschaftswässer (entsprechen) den baupolizeilichen Vorschriften“, was soviel bedeutet, dass alles ordnungsgemäß in eine Sickergrube geleitet wird. Dank der kurze Zeit vorher errichteten Pumpstation an der Ecke Schulstraße (westlicher Teil der heutigen Assmannstraße) wird bereits im Juli ein Nachtragsantrag genehmigt, um für alle WCs, Ausgüsse und die Waschküche eine Ableitung in die Kanalisation einzurichten.
Der Bauherr Carl Peters ist zu diesem Zeitpunkt 42 Jahre alt.
1890 hatte er sich in Friedrichshagen als Arzt niedergelassen, zuerst noch in der Friedrichstraße, nicht weit von der Praxis des bekannten und beliebten Dr. Max Jacoby, der anfangs auch eine gewisse Verantwortung für den jungen Kollegen übernahm – zumindest musste er alle Totenscheine gegenzeichnen, damit sie von der Gemeinde anerkannt wurden.
Die Niederlassungsgenehmigung als praktischer Arzt in Händen und mit einem Finanzplan für die ersten Jahre bewaffnet war Carl Peters im selben Jahr bei den Eltern seiner Braut Elise Danneberg in Loitz vorstellig geworden. Der Brautvater hatte ihn für diese die eher praktischen Dinge des Lebens betreffende Entscheidung an seine Frau Martha verwiesen, die nach einem kurzen Blick auf die Aufstellung kommentierte: „Sehr schön, Herr Doktor, heizen tun Sie ja nicht im ersten Jahr Ihrer Ehe, aber vielleicht wird der Winter mild.“
Die beiden Kinder wurden noch in der ersten (sicher nicht ungeheizten) Wohnung in der Lindenallee 3 geboren – 1892 Wolfgang, 1894 Annelotte (im Nachbarhaus wohnten damals Ole Hansson und Laura Marholm). Um die Jahrhundertwende begann das Ehepaar Pläne für ein eigenes Haus zu schmieden.
Sie fanden in der südlichen Verlängerung der Wilhelmstraße, im Volksmund noch Karrweg genannt, ein schmales Grundstück, das aber direkt bis an die Ostgrenze bebaut werden durfte, da Vater Conrad, der Besitzer der angrenzenden Spargelzucht, die Absicht bekundete, später direkt anzubauen.
Lassen wir das Haus selber über sein Inneres berichten:
„Im Erdgeschoss hat Dr. Peters seine Praxis eingerichtet und ein Wartezimmer für die Patienten. Es gibt dafür einen gesonderten Eingang von der Straße her. Daneben ist Elises Zimmer, ihr Salon, wie sie es nennt. Zur Seite und nach hinten zum Garten raus gibt es eine riesige Küche.
Mein ganzer Stolz aber ist die Diele, ein hoher über 2 Stockwerke reichender Raum.
Er ist mit dunklem Holz getäfelt, hat eine Holzdecke, einen Kamin, ein prächtiges Schiebefenster im Jugend-Stil und eine Innentreppe mit einem wunderschönen Geländer, die über eine Galerie zu den Kinderzimmern und zum Elternschlafzimmer im ersten Stock führt.
Die Kinderzimmer schauen nach vorn auf die Wilhelmstraße, das Elternzimmer nach hinten zum Garten. Daneben liegt ein großes Badezimmer.
Der Balkon über dem Salon gehört zur Bibliothek, Carl Peters’ Studier- und Rückzugsraum.
Ganz oben ist die Waschküche, gleich daneben der große Trockenboden und zwei Mädchenkammern.
Im Garten hinterm Haus gibt es einen großen Palaverplatz unter der Linde und vor der Diele eine zum Teil überdachte Veranda. Natürlich hat auch die Küche einen Ausgang zum Garten, aber die Kinder nehmen mit Vorliebe den direkten Weg über die niedrige Brüstung des Schiebefensters.
Der Blick auf Vater Conrads Spargelfelder ist übrigens versperrt, meine rechte Wand ist nur eine Brandmauer, äußerst hässlich!“
In den folgenden Jahren ist die „Wilhelm 18“, wie der Familientreffpunkt genannt wird, ein turbulenter Mittelpunkt für Familienfeste, Hausmusikabende und Theaterstücke, die vom Hausherrn verfasst und unter Einsatz aller Familienmitglieder und zahlreicher Freunde in der Diele aufgeführt werden.
Zum 10. Jahrestag widmet Fritz Eichberg ihm ein „Haus-Weihspiel in 25 Scenen“.
Das Haus blieb nach dem Tod von Carl und Elise Peters (1936 bzw. 1948) noch einige Zeit im Besitz der in Berlin-Spandau und im westlichen Teil Deutschlands lebenden Familie.
Seit 1956 in Treuhandschaft, gehört es seit 1997 den Erben und beherbergt derzeit vier Mietparteien.
Das Äußere wurde sorgfältig restauriert, im Innern ist vor allem die hohe Diele - im Zuge der Wohnraumbewirtschaftung der 50er und 60er Jahre durch eine Zwischendecke erheblich geschädigt - im originalen Zustand wiederhergestellt worden.
Christin Grohn-Menard, August 2006
(Die Autorin ist die Urenkelin von Carl und Elise Peters und zusammen mit ihrer Schwester derzeitige Hauseigentümerin.)