Heidrun Sölter-Bey über Katrin Brandel

Katrin Brandel in ihrer Arbeitsumgebung

 

Es ist so ruhig, so friedlich im Antiquariat Brandel. Wer hier eintritt, wird zunächst vom „Ratlosen“ empfangen. Die hölzerne Skulptur von Frank Hüller hat ihren Zeigefinger auf den Mund gelegt und gibt Rätsel auf. Vielleicht will sie auf den Schrank mit bibliophilen Kostbarkeiten neben sich aufmerksam machen. Der enthält, gut verschlossen, u.a. einen Folioband von Ovid mit Lithografien von Willi Sitte, die Fontane-Erstausgabe „Die fünf Schlösser“ und von Christoph Wilhelm Hufeland „Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern“ aus dem Jahre 1797. Vor dem Schrank sind Grafiken und Malerein von Friedrichshagener Künstlern aufgereiht, denkbare Möglichkeiten für freie Wände.

 

Hausherrin Katrin Brandel lässt  Platz nehmen - auf bequemen Sesseln oder einer kleinen Couch.  Zwischen hohen Bücherwänden fühlt sich der Gast geborgen. Eine Tasse Tee ist Stärkung.

 

Ein bisschen Hieronymus im Gehäuse? Beim besten Willen nicht.


Die Geschichte des Ortes findet in der Scharnweberstraße 59 einen konzentrierten Ausdruck. Hier leben Wilhelm Bölsche, Peter Hille, Bruno Wille, Wilhelm Spohr und die Brüder Hart immer noch. Strindberg, Lasker-Schüler, Mühsam und Hauptmann, Hansson und Marholm waren Gäste des Ortes und haben ebenfalls ihre Plätze in den Regalen. Alle - alle, die in irgendeiner Weise bedeutsam für Friedrichshagen wurden und bedeutsam sind, haben hier ein Zuhause. Das macht das Haus, den Hof und die Remisen-Galerie so einzigartig, so bedeutsam.

 

Hierher kommen Sammler, geistig Rege, Wühler, Leser, Ausgeschlafene - zu Ausstellungen, Lesungen, Vorträgen und zum Gedankenaustausch. Freie Geister - angezogen vom freien Geist, der immer in Friedrichshagen herrschte. Ein Kommunikationszentrum, wo sich die Kulturszene der Umgebung trifft, ein Ort, der Beachtung findet und der aus dem gesellschaftlichen Leben Friedrichshagens nicht wegzudenken ist. Katrin Brandel ist er zu verdanken - der Verlegerin, Buchhändlerin, Galeristin und Historikerin. Viele Leidenschaften, vier Berufe, eine Berufung.


1991 gründete sie in der Scharnweberstraße 59 mit einem Partner das Versandantiquariat Brandel & Richter. Ab 1994 führte sie das Geschäft allein weiter. Neben dem An- und Verkauf antiquarischer Bücher konzentriert sie sich auf die unendliche Ortsgeschichte. Seit 1995 erscheinen im gegründeten Verlag Katrin Brandel „Friedrichshagener Hefte“. Gemeinsam mit den Ortschronisten Rolf und Inge Kießhauer werden sie vorbereitet, verfasst oder an Autoren in Auftrag gegeben. Das erste Heft widmete sich der Geschichte des Wasserwerkes. 59 weitere Veröffentlichungen sind erschienen. Die Nummer 60 wurde anlässlich des 100. Geburtstages von Rudolf Hirsch herausgegeben. Jede Publikation wird mit einem Vortrag eingeführt. Voll ist es dann im Antiquariat, es wird erklärt, ergänzt und debattiert. Parallel zu den Heften erscheint einmal im Jahr der Friedrichshagener Postkartenkalender mit historischen Abbildungen, Erläuterungen und wichtigen Daten über Friedrichshagener Persönlichkeiten. Eine sinnvolle Ergänzung der Hefte, für viele auch ein nettes Geschenk für Freunde.


Katrin Brandel ist engagiert, weil sie ihren Ort liebt. „Weil hier außerordentlich viele interessante und anregende Menschen wohnen, mit denen es Spaß macht, Ideen zu entwickeln.“ Deshalb wurde sie 1998 Mitglied des Kulturhistorischen Vereins, der sich den historischen Größen des Ortes widmet. Sie gibt dem Verein in ihren Räumen Platz für Ausstellungen und Vorträge.

 

Und deshalb gründete sie im gleichen Jahr mit Astrid Güldemann, Peter Tschauner und Frank Brandel  die ZeitGalerie Friedrichshagen. Ausstellungen, die hier stattfinden, sind ein Ereignis. In den  Sommermonaten wird der grüne Hof einbezogen, dann lodert es aus dem Feuerkorb und beim Wein werden alte Begegnungen aufgefrischt. Hier treffen sich Hinze und Kunze – Volker Braun polemisiert zum Beispiel mit Ronald Paris über Kunstrezeption. Hier gab es Ausstellungen von Arno Mohr, Dieter Goltzsche, Thomas Richter, Charlotte E. Pauly, Ingrid Goltzsche, Ralf Bergner, Ute Hausfeld, Ingrid Bertel, Egon Bresien, Clemens Gröszer, Sylvia Hagen, Jutta Schölzel, Paul Kufuss, Hans Vent ... Hierher reiste Sofie Natuschke aus Güstebieser Loose an der Oder und stellte einen Holzkahn mit fröhlicher Besatzung in den Garten, während gedrahtete Zicken und Schafe in der Remise Platz fanden. In der Scharnweberstraße 59 waren Rosemarie Schuder, Karl Mickel, Heinz Knobloch und Franz Mirau zu Gast.


Katrin Brandel präsentiert die interessantesten Leute, die sie immer mit „gutem Bauchgefühl“ und Zeitgeschmack ausfindig macht. Wohl wissend, dass dieser Ort schon immer etwas Besonderes war „mit seinem kleinstädtischen Flair, ein Ort weit hinter Berlins Mitte, aber trotzdem auch Weltstadt mit seinen Künstlern, Musik- und Ausstellungsangeboten.“


Katrin Brandel bleibt in der Spur, wenn sie gemeinsam mit der Musikagentur Schönherr mehrmals im Jahr Konzerte organisiert – versteht sich im ehemaligen historischen Rathaus in der Bölschestraße; wenn sie Wanderungen anlässlich des Festes Dichter.dran mitgestaltet oder die Remise für die Tage der Ateliers in Friedrichshagen öffnet. Literatur, Kunst, Geschichte sind ein weites Feld, eine große Herausforderung. Hier ist Katrin Brandel aktiv und hier gibt sie anderen das Podium frei.

 

Vorhaben 2008

Friedrichshagener Hefte:

- Der Spreetunnel
- Die Sensation vom Müggelsee, Flugboot DoX
- Die Verlegerin Lucie Groszer
- Fidus
- Erinnerungen an Friedrichshagen

 

Ausstellungen:

- Ingrid Goltzsche-Schwarz - in Zusammenarbeit mit dem Bezirksamt
- Wilhelm Gohlke
- Luxemburger Künstler

 

Scharnweberstr. 59  12587 Berlin
Tel: +49 030 - 641 11 60  Fax: +49 030 - 641 11 60
Verbindung: S 3 Friedrichshagen; Tram 60, 61
Öffnungszeiten: Mi-Fr 12-18.30 Uhr, Sa 9-12 Uhr
E-Mail: post@brandel-antiquariat.de
Home Page: www.brandel-antiquariat.de

Februar 2008