11.12.2014


Müggelsee – Biotop statt Sport- und Freizeitrevier?

Fakten und Meinungen zum einem Gutachten "zugunsten heimischer Wurm- und Vogelwelt"

Diesmal wurden ausgewählte Müggelsee-Interessenten („stake-holder“ lt. Einladung) in die Feierhalle der Borkenbude am Strandbad Rahnsdorf versammelt. Etwa 60 Teilnehmer, die sich am Montag dem
8. Dezember ab 13:30 Uhr für „ihren See“ Zeit nehmen konnten, kamen. Bewährte Aktivisten und Sprecher, inkl. Professoren und Regisseure aus den Anti-Flugrouten-Aktivitäten, wurden nicht gesichtet. Es war die dritte Veranstaltung dieser Art der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz. (Senator ist heute noch der neue Regierende Michael Müller). Im Publikum war augenscheinlich auch ein Schwarm hauptberuflicher „Gutmenschen“ der „grünen Front“ präsent.

Was sich bereits bei der Erstveranstaltung vor etwa zwei Jahren im Kino „Union“ andeutete, beim zweiten Treffen im Seebad Friedrichshagen durch zwei sehr ausführliche wissenschaftliche  Öko-Gutachter-Vorträge energisch deutlich gemacht wurde, verdichtete sich diesmal zur brutalen Gewissheit:

Der Müggelsee soll vom bisherigen Sport- und Erholungsrevier mit geschützten Naturufern zu einer Art städtischen Biotops werden. Gute Nachricht für alles Lebendige zwischen Wurm- und Vogel-Welt! Welche in großer Vielfalt gemäß Ortung durch die Experten offenbar schon bisher in unserem Müggelrevier heimisch ist, wohlfühlt und vermehrt.

Die Mäntelchen fielen: Angstschweiß!

Die Gutachter ließen ihre Mäntelchen als vermeintliche Sachwalter einer der bedeutendsten Erholungslandschaften der deutschen Hauptstadt (mit S-Bahnanschluß) endgültig fallen. Darunter grünt es so grün, als wäre der Müggelsee ein phänomenales blaues Auge in der Lüneburger Heide. Die Wissenschaftler immerhin mit Vorschlags-Kompetenz im Senatsauftrag! Und sie outeten sich, nicht nur vollends als erbarmungslose Strategen ihres Metiers, die sich unsere Müggel im Sinne hoch angebundener europäischer Richtlinien zum Gewässerschutz – na von wo schon? - wahrscheinlich Brüssel; als Alibi ja häufig geeignet! - zum „masterpiece“ machen wollen. Und diesmal dazu detaillierte Pläne mit allerlei Schutz- und Sperrbereichen im See vorlegten, die jedem Freund unseres Sees als Revier für Sport und Erholung, baden, schwimmen, lagern, segeln, paddeln, rudern, surfen und aller anderen Varianten des Gewässervergnügens in seiner traditionellen Prägung, den Angstschweiß ausbrechen lassen.

Sperrgebiet  bis Rübezahl?

Die Veranstaltungsregie war so listig angelegt, dass nach einem langatmigen, bunt belichtbildertem  Wiederholungsvortrag für eine angemessen ausführliche Diskussion (ohne Mikrofone/Lautsprecher) kaum Zeit blieb. Die einmal mehr überlisteten „stakeholder“ wurden alsbald zu Kleingruppen an mehreren Tischen zerlegt, wo sie sich noch  leichter dominieren ließen. Und als Betrachter großformatiger Planungsblätter das Fürchten bekamen.

Größter vorgesehener  Eingriff durch die beabsichtigten „Regulierungsmaßnahmen“: Sperrung des gesamten westlichen Ufer- und Seeabschnitts zwischen Gaststätte Rübezahl und  Hafenanlage des Segelvereins SGaM, mit weitem Bogen bis an den Rand des Fahrstreifens der Fähr- und Ausflugsschiffahrt zwischen Müggelpark und Rübezahl. Durch eine Bojenreihe zu markieren. Nur der letzte Müggel- Fischer würde dort noch Reusen aufstellen dürfen. Massen von Totholz aller Art sollen versenkt werden, um die Fischwelt zu animieren, auch seewärts des ohnehin durch Palisaden geschützten fischfreundlichen Schilfbereichs zu laichen.

Als unentbehrlicher Schutzbereich für Sportboote aller Art bei Sturm und Gewitter, als Ankerplatz auch weit vor dem Schilfgürtel, wäre die gesamte Bucht dann nicht mehr frei.

Entenwaller wehren sich

Ferner gibt es Regulierungsideen zwischen den seit über hundert Jahren als Freibade- und Ankerplatz beliebten Bereich zwischen den Rahnsdorfer Bänken/Spreemündung und Strandbad. Die Jungvögel aus den landwärts hinter Pfahlreihen angrenzenden idyllisch vogelfreundlichen Nistbereichen im Dickicht sollen künftig weniger gestört das Fliegen lernen.

Natürlich blieb das gesamte Süd-Ufer, an dem die seit Beginn der Baderei im See beliebten natürlichen Freibadestellen - häufig abschätzig „wild“ genannt - für Wanderer schon seit 1990 im ersten grünen Regelungs-Anlauf verrammelt wurden, nicht von weiteren Sperrideen verschont. Die letzte Freibadestelle und Ankerbucht westlich von Rübezahl soll im Zuge des Sperrbogens West ohnehin kassiert werden. Insgesamt, so die Ökologen, sollen immerhin 75 % der gesamten Seefläche (schließlich auch „Bundeswasserstraße) planerisch-sperrend nicht in Anspruch genommen werden. Danke! – plumpst es vom Herzen in den See …

Nur die Anlieger-Gruppe „Entenwall“ auf den Rahnsdorfer Grüninseln, die schon länger durch allerlei neue Ein- und  Beschränkungen gekniffen wurde, kann gewisse Koalitionserfolge im Sinne ihrer wohlbegründeten Anlieger-Interessen erhoffen.

Betont wurde: Alle Regelungsideen für Müggelspree und Müggelsee bis zum Spreetunnel beziehen sich auf den Bereich zwischen den Uferlinien. Es sei denn, sie gehen darüber hinaus, hieß es. Eine schlichtweg absurde, weil lebensfremde Betrachtungsweise.

Zurück zu Fontane und Friedrich II.?

Wer aber nun vermutete, dieser „ökologische Rückbau“ bis in die Zeit von Theodor Fontane und
Friedrich II. hätte die „stakeholder“ zu einem  turbulenten Protestgetümmel ermuntert, der unterschätzt die Strategen und Taktiker des Öko-Angriffs unter dem grünen Hut des Senats. Das Treffen kann von ihnen getrost als 3. Termin einer  demokratischen Anwohner-Teilnahme verbucht und gemeldet werden. Zumindest als Alibi.

Der Vorgang ruft beim Chronisten ein belastetes Erinnerungsbild an die Zeiten einer „Nationalen Front“ hervor. Zum Beispiel, als damals der, trotz kundiger Anwohner-Warnung der Friedrichshagener, im Revier des früheren Dorfteichs, nördlich der Kirche, gegründete HO-Kaufhallen-Neubau im Grundwasser absoff. Was zu enorm aufwendigen nachträglichen Abdichtungsbauwerken zwang. Hinterher wurde wortreich in rationierter Öffentlichkeit gelogen, dieser Vorgang sei schicksalhaft, also nicht vorhersehbar gewesen.

Übrigens wurde auch bei den neuen Müggel-Ökologen deutlich, dass ihnen wesentliche Kenntnisse aus dem Werden und Sein des Sees fehlen. So sei das ausgedehnte Flachwasser vor dem Nordufer bis an den Rand des dortigen, steil abfallenden Strömungsbetts nie von Wasserpflanzen besiedelt gewesen. Und deshalb regelungsfrei vorgesehen, hieß es. Tatsächlich waren die Pflanzenteppiche dort bis nach dem
II. Weltkrieg so dicht, dass sich dort niemand unserer Schulkameraden zum „baden geladen“ fühlte.

Die Wasserschutzpolizei kann es nicht…

Alle Angelegenheiten - die künftige Fliegerei über den See sowieso -, die am und im Müggelsee als Sport- und Erholungsrevier von Belang und dringlich sind, wurden mit einer Ausnahme ausgeklammert. Der Unfug der streng verbotenen Schnellboot–Raserei mit Tempo bis über 100 km/h, der schon mehrfach von „stakeholdern“ energisch thematisiert wurde, ließe sich nicht abstellen. Hieß es von den Ökologen. Das ist die positionsfreie Wiedergabe der bekannten, seit Jahren unverändert unzutreffenden Abwehrhaltung der Wasserschutzpolizei, die Material- und  Personalmangel als Hinderungsgründe vorschützt. Sie sehe sich nicht in der Lage, die Geltung der Gesetze durchzusetzen – so muß man das wohl leider weiterhin verstehen. Obwohl eine  Reihe  von  treffsicheren Vorschlägen zur Verhinderung  des Speedboot- Betriebs seit Jahren vorgetragen werden. Warum solche für Binnengewässer völlig ungeeigneten Motor-Renner überhaupt zugelassen werden, bleibt ohnehin unklar.

Hier nun meine –unvollständige– Liste einiger regelungsbedürftigen  Angelegenheiten, mit denen sich das hochtrabend etikettierte „Gewässer-Entwicklungskonzept  Müggelsee/Müggelspree“ überhaupt nicht befasst und - laut dem Ökologen-Gremium des Senats auch nicht befassen soll und will - in Kurzfassung:

Heiße Themen im und am Spree- und Müggelsee-Wasser:

1.    Fortführung der abgebrochenen Munitionssuche im Müggelsee (Bomben-Lockrevier im II. Weltkrieg). Aufforderung zur Gewässersäuberung durch Bürgerinitiativen in Anlieger- und Badebereichen

2.     Verkehrsregelnde Maßnahmen am Schiffahrtsknotenpunkt Tunnelbereich Friedrichshagen. Nichteinrichtung der dort vorgesehenen Sportbootanlegestelle wegen Gefahrenkonzentration. Einfahrschilder Spree/Müggelsee mit Nennung der höchstzulässigen Fahrgeschwindigkeiten.

3.    Behördliche Regulierung des Verkehrs der zunehmenden Zahl  überlanger Fahrgastschiffe mit ihren  hohen Navigationsrisiken. Wirksamere Einweisung/Information von Mietbootführern  (Ohne Befähigungsnachweis frei bis 15 PS Motorleistung), Windsurf-Anfängern, Floßkapitänen  und Stehpaddlern.

4.    Einrichtung und Ausweis von geeigneten öffentlichen Anlegemöglichkeiten/Liegeplätzen für Sportboote  in den Ortsbereichen Friedrichshagen und Rahndorf: Z.B. Ufer am völlig überdimensionierten Aldi-Parkplatz und gegenüber. (Wie sie jahrzehntelang geboten wurden.) Aufhebung der dort lt. Wasserwerk-Auskunft geltenden Trinkwasser-(Sperr) –Vorschriften, wegen in Wirklichkeit ausreichender Entfernung zu Trinkwasser-Brunnen. Gewerbliche Einrichtung.

5.    Ausweis und Schutz von einigen traditionellen Freibadestellen, Toiletten

6.    Vorhaltung von Wasser- und Eis-Rettungsgeräten, öffentliche Anleitung für Rettungsverhalten in wetterfester Ausstattung an bestimmten Plätzen und Bereichen.

7.    Aufhebung/Umfunktionierung der seit Jahren nicht mehr aktiven früheren Wasserrettungsstelle „Teppich“. Nutzung/Verpachtung der dort  vorhandenen Toiletteneinrichtung.

8.    Wiederentdeckung  und Nutzung der verschollenen bezirklichen Planungsrichtlinie „Agenda 21“ des Stadtbezirks zur bevorzugten Entwicklung von Tourismus und Naherholung, aufgestellt in den  frühen Neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts.

9.    Schutz für private und kleingewerbliche Zimmervermietung vor (angekündigten) Einschränkungs- und Verbotsmaßnahmen.

Diese und weitere Anregungen hat der Verfasser im Sinne bürgerschaftlichen Engagements, jedoch seit eh parteifrei aus Überzeugung, schon mehrfach auf Verwaltungsebene vorgebracht. Ohne erkennbares Ergebnis. Zuletzt beim zuständigen Senator und jetzt neuem Regierenden Bürgermeister M. Müller. Der hat sogar geantwortet. Eher meinungsfrei im Hinblick auf die unseren See betreffenden Vorschläge.

Wer, wie der Autor, aus einer nunmehr über fünf Generationen (seit etwa 1850) ununterbrochen ortsansässigen Familie stammt, sieht sich schon in einer auf Ortskenntnis und –Engagement beruhenden bürgerschaftlichen Zuständigkeit.

Übrigens „stakeholder“! Im dicken Wörterbuch der deutschen Sprache, anders als „stalker“ und „Stalinorgel“, nicht enthalten. Im Vokabel-Verzeichnis Englisch-Deutsch  ist zu finden: stake = Marterpfahl. Ob sich der künftige Entscheidungs-Senator dieses Sachgebiets dort, zusammen mit jemandem aus dem Rathaus des Hauptmanns von Köpenick, künftig festsetzen lassen wird oder bürgerschaftliches Engagement in fixierter Zwangslage gepiesackt werden wird, hängt wohl vor allem von einer künftigen öffentlichen Diskussion ohne Öko-Vorgaben ab. Angesichts des schon jahrelang gut organisierten aktiven Engagements so vieler Mitbewohner unseres Reviers gegen den Skandal –Flughafen  in Schönefeld, wagt man hoffnungsvoll zu sein.

Lutz Rackow

Von der Redaktion aus Wikipedia entnommen: Als Stakeholder (engl. ‚Teilhaber‘) wird eine Person oder Gruppe bezeichnet, die ein berechtigtes Interesse am Verlauf oder Ergebnis eines Prozesses oder Projektes hat.

Links zu "offiziellen" und weiterführenden Informationen:

http://www.stadtentwicklung.berlin.de/umwelt/wasser/eg-wrrl/de/inberlin/spree.shtml

http://www.stadtentwicklung.berlin.de/umwelt/wasser/eg-wrrl/de/service/berichte.shtml#081214

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