23.02.2010


Großes Kino im Kiez

Das Union wird zum Festivalpalast

Das hatte die Bölschestraße noch nicht gesehen: Glamour, Scheinwerfer, Roter Teppich bis hinein ins Kino Union und an den Absperrungen auf ihrer Stars wartenden Fans. Und die kamen dann wirklich.

An diesem Februarsonntag wurde in Friedrichshagen mal kein Film gedreht, sondern Wettbewerbsfilme der Berlinale vorgeführt.

Unter dem Motto "Berlinale goes Kiez“ mauserten sich erstmals auch  Berliner Programmkinos zu Schauplätzen der 60. Internationalen Filmfestspiele. Es liefen die Filme „Boxhagener Platz“ von Matti Geschonneck und „Der Räuber“, bei dem Benjamin Heisenberg Regie führte. Beide fanden ihr begeistertes Publikum.

Die ersten zu beklatschenden Gäste waren der Festivaldirektor Dieter Kosslick, Kinopatin Katrin Saß und die Bürgermeisterin von Treptow / Köpenick, Gabriele Schöttler (SPD).

Zu ihren Filmen kamen dann die Regisseure mit den Hauptdarstellern und anderen Teammitgliedern.

Das Staunen war beiderseitig. Den einen wurde Prominenz zum Anfassen geboten und die anderen erlebten ein Kino als sozialen Raum, den sie so nicht erwartet hatten. Sätze wie „So etwas habe ich noch nicht gesehen“ und „Hier ist wahre Kinokultur“ waren von ihnen zu hören.

Die gezeigten Filme waren sehr unterschiedlich, dennoch beide ein cineastischer Kunstgenuss. Natürlich ist jede Einschätzung subjektiv geprägt – manch einer kann aus seiner Sicht und Erfahrungen zu ganz gegensätzlichen Bewertungen kommen.

Suchte ich eine Analogie in der Malerei, stände für mich ein anrührendes Aquarell einem impressionistischen Bild gegenüber.

Matti Geschonneck inszenierte mit Boxhagener Platz eine Komödie im Ostberlin des Jahres 1968, man könnte auch  Kriminalkomödie sagen. Das Genre ist nicht ganz einfach festzulegen. Der Tagesspiegel nennt ihn einen „zärtlichen Erinnerungsfilm“. Frei von Ostalgie erzählt der Film von den Erlebnissen von Oma Otti (Gudrun Ritter) und ihrem Enkel Holger (Samuel Schneider) im Ostberlin des Jahres 1968. Er basiert auf dem gleichnamigen Debütroman von Torsten Schulz.

Alle oben genannten waren anwesend und erfuhren die Sympathie ihres Publikums.   

Grundlage für Benjamin Heisenbergs Regiearbeit ist auch ein Buch, der gleichnamige Roman von Martin Prinz, der wiederum auf einer wahren Begebenheit der österreichischen Kriminalgeschichte beruht. Er porträtiert einen Bankräuber als Hochleistungssportler, als einen von innerer Energie Getriebenen. Laufen wird zum Extrem.    

Die Geschichte ist kongenial in Szene gesetzt.   Kinobilder  verschmelzen mit der  Wucht eines Kinosoundtracks – alles strebt einem furiosen Finale zu. Da das nicht gut gehen kann, geht man diesmal nicht mit einem Lächeln nach Hause, aber vielleicht mit Nachdenken über Möglichkeiten von Filmkunst. 

Noch zwei Superlative: kein Festivalkino Berlins war so schnell ausverkauft und keiner der jeweiligen Filmpaten hatte so schnell Ja gesagt, wie in diesem Fall Katrin Saß.

Dass Berlinale - Direktor Kosslick zum Seniorenkino zu Kaffee und Kuchen und „mal richtig Filme gucken“  wiederkommen will, ist da nicht mehr verwunderlich.

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