Aus Anlass des 90. Geburtstages von Johannes Bobrowski hat der Botschafter Litauens in Deutschland, Evaldas Ignatavičius, an dessen Grab auf dem Friedhof in Berlin-Friedrichshagen ein Gebinde in den litauischen Landesfarben niedergelegt. Er verneige sich vor einem großen Dichter, der in seinem Heimatland hohe Verehrung genieße. Sein Werk sei dort in einer dreibändigen Ausgabe sowie zahlreichen Einzelveröffentlichungen erschienen, allen voran sein zweiter Roman „Litauische Claviere“, den er im Sommer 1965 kurz vor seinem Tod niedergeschrieben hatte.
Zuvor hatte der Diplomat, dessen Land seit drei Jahren zur Europäischen Union gehört, das original erhaltene Arbeitszimmer Johannes Bobrowskis in der Ahornallee 26 besucht. Er zeigte sich beeindruckt von den Büchern und Bildern, die der in Tilsit geborene Dichter hier nach seiner Rückkehr aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft neu zusammengetragen hatte. Sohn Adam Bobrowski, Geschäftsführer der Johannes-Bobrowski-Gesellschaft, erläuterte ihm die Zusammenhänge und berichtete über die Forschungen der litauischen Germanistin Dalia Bukauskaite. Sie hatte hier im Rahmen ihrer Promotion einen „Kommentierten Katalog der nachgelassenen Bibliothek von Johannes Bobrowski“ erarbeitet, der im vorigen Jahr im Wissenschaftlichen Verlag Trier erschienen ist. Gern nahm der Botschafter eine Einladung in die Berlin-Brandenburgische Akademie der Künste an, in deren Haus am Pariser Platz am 22. April in Zusammenarbeit mit der Johannes-Bobrowski-Gesellschaft eine Matinee zu Ehren Bobrowskis stattfinden wird.
Besonders berührt war Evaldas Ignatavičius von der Begegnung mit Johanna Bobrowski. Die heute 85 Jahre alte Frau des Dichters erzählte ihm von ihrer Kindheit auf einem Bauernhof jenseits der Memel, die damals wie heute die litauische Grenze markiert. „Niemals war ich so frei wie damals“, bekannte sie und berichtete über die gegenseitigen Besuche der Familie über die Memel hinweg, ohne dass es Kontrollen gegeben habe. „Überhaupt habe ich erst 1947, als ich nach Friedrichshagen gekommen bin, mein erstes Dokument erhalten. Davor ging das alles ohne“, erinnerte sie sich in dem weitgehend auf litauisch geführten Gespräch. Schließlich rezitierte sie aus dem Gedächtnis alte litauische Lieder. „Die sind so schön, die kann man nicht übersetzen“ meinte sie bei einer Tasse Tee, die sie nach altem Brauch bereitet hatte. „Das war Völkerverständigung im besten Sinne“, bedankte sich der Diplomat abschließend.
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