19.01.2009


Trägt das Eis noch immer?

Nach zwei zauberhaften Wochenenden wird das Eis jetzt wieder dünner (Nachtrag 27.1.09: Was Wetterfrösche dürfen, dürfen Laien erst recht: irren!)

Noch ist die Eisdecke auf dem Müggelsee auf ihrer maximalen Dicke des Winters: 22 cm. Der Wetterbericht berichtet aber von steigenden Temperaturen, für Heute Nacht ist Regen angesagt und so heißt es nun wieder sehr vorsichtig zu sein. Unser Leser Lutz Rackow hat uns einen Ratgeber zur Verfügung gestellt, den wir hier gern veröffentlichen:

 

Tips zum Müggeleis – bewährte Empfehlungen zur Eisrettung

(Vom Ordnungsamt Berlin-Köpenick gesehen und zur Beachtung empfohlen)

 

Wann und von wem wird das Eis des Müggelsees zum Betreten „frei“-gegeben?

Nie und von niemandem! Weil es dafür in Berlin keine geregelten Zuständigkeiten und Prüfregeln gibt. Gewarnt wird immer, weil auch nach längerem Frost immer etliche Gefahrenstellen lauern.

 

Betreten des Eises geschieht deshalb immer auf eigene Gefahr.

 

Bei Nebel und Dunklelheit soll auf alle Fälle darauf verzichtet werden, das Eis zu betreten, auch wenn es tagsüber als zuverlässig tragfähig befunden wurde. Ferner natürlich nach Tauperioden.

 

Gibt es besondere Gefahrenbereiche selbst bei stärkeren Eisdecken im Müggelseebereich?

Ja, vor allem nahe dem Spreetunnel in Friedrichshagen. Zwischen großer Schiffsanlegestelle bis weit in die Spree hinein.

 

- in Rahnsdorf, zwischen „Kleinem Müggelsee- Spreemündung – Ostufer des Großen Müggelsees

 

- in der Nähe von Steganlagen, an denen zum Schutz vor Eisschäden die Flächen aufgebrochen wurden. Besonders im Bereich des Segelclubs SGaM südlich des Spreetunnels und an den Gaststätten Rübezahl, Müggelseeperle und Müggelhort.

 

Gibt es Bereiche, wo man am ehesten davor sicher ist, durch Einbrechen in Lebensgefahr zu geraten?

Ja! Zwischen dem Institut für Binnenfischerei (östlich der Wasserwerke) und dem Strandbad Rahnsdorf ist der See bis zu einer Entfernung von etwa 200 m vom Ufer so flach, dass keine Wassertiefen über 150 cm angetroffen werden. Ufernah ist es meist nur „knietief“.

 

Werden Gefahrenbereiche besonders gekennzeichnet?

Leider nur selten so eindeutig, dass man sich darauf verlassen könnte. Auch Eisangler unterlassen es mitunter die Löcher, an denen sie den Fischen nachstellen, kenntlich zu machen.

 

Welche besonderen Risiken sind ferner zu bedenken?

Bei zunehmendem Eissportbetrieb vor allem durch Eissurfer und Eissegler, die häufig Fahrgeschwindigkeiten bis 100 km/h erreichen. Bei ihrer Annäherung ist es ratsam, stehen zu bleiben, als Gruppe nicht auseinander zu laufen.

 

Welche Rettungsgeräte sind geeignet, wenn bei einem Eisunfall Hilfe geleistet werden soll?

Vor allem Leitern, Leinen (ab ca. 8 mm Stärke), Stangen, Bohlen, Surfboards, aufblasbare Schwimmkörper, notfalls Äste, Jacken.

 

Kann man als Schlittschuhläufer oder Eiswanderer auch geeignete Rettungsmittel für Hilfeleistungen und Selbstrettung mitführen?

Ja, unbedingt sollten „Eistouristen“ aller Art im Rucksack haben: Eine Leine (ab 6 mm) von mindestens 20 m Länge mit einem Wurfgewicht, Trillerpfeife, 2 Schraubenzieher, um sich aus einem Eisloch heraus auf die Eisfläche ziehen zu können (in Skandinavien seit 100 Jahren bewährt).

 

Empfehlenswert ferner: Ski-, Walking- oder Wanderstöcke und jede Art von Schwimmhilfe, Handy.

 

Telefon Feuerwehr/Rettungsdienst 112 -- Polizei 110

 

Welche Risiken und Gefahrenstellen kommen auf dem Müggeleis außerdem erfahrungsgemäß noch gelegentlich vor?

Sollte ein Schiff die Eisfläche durchquert haben, so verursacht es eine Fahrrinne mit offenem Wasser und Scholleneis. Das friert womöglich nach weiterem Frost wieder zu, wird aber zunächst womöglich weniger fest. Treibt Schnee darüber, so wird dieser Bereich zu Falle.

 

Eispressungen entstehen mitunter nach länger andauerndem Frost. Dann kann sich eine offene Eisspalte von beträchtlicher Breite über den ganzen See erstrecken.

 

Welche Umstände und Fehlverhalten haben auf Müggeleis in der Vergangenheit am häufigsten Risiken und gefährliche Vorfälle verursacht?

Nach Kenntnissen aus jahrzehntelanger Eispraxis des Autors an Müggelsee und Spree als Schlittschuhläufer, Eiswanderer und Eissegler – auch Eisretter – ereigneten sich die folgenschwersten Eisunfälle beim Betreten von örtlichen Gefahrenbereichen, in Dunkelheit und Nebel, bei schneebedeckten Flächen, die – trotz Fußspuren – nach Frostmilderung oder Tauwetter an Tragfähigkeit einbüssten.

 

Welche besonderen Ereignisse sind Müggeleis-Kennern dabei in Erinnerung?

Leider eine ganze Anzahl, einschließlich der Vorfälle, die aus unmittelbarer Zeugenschaft bekannt geworden sind. So ertrank einmal ein kleiner Junge unmittelbar neben der Anlegebrücke der Gaststätte „Rübezahl“ vor den Augen des Vaters, obwohl die Wassertiefe dort nur etwa 120 cm betrug. Das Kind geriet unter die Eisfläche und wäre schnell zu bergen gewesen, wenn jemand ins Wasser gestiegen wäre. Statt dessen wurde nur nach Hilfe gerufen, die zu spät kam.

 

Ein anderes Mal gerieten Kinder auf eine erst kurz zuvor von Eis freigelegte, über Nacht dünn überfrorene und außerdem durch treibenden Schnee bedeckte Fläche. Sie gerieten an einem schulfreien Vormittag ohne Aussicht auf sofortige Hilfe sofort unrettbar in tiefes, eiskaltes Wasser.

Auch eine Markierung der Gefahrenstelle war über Nacht verweht worden.

 

Zwei Kinder ertranken, als sie nach einer Fahrt auf treibender Scholle in der Spree kenterten.

 

An einer breiten Eisspalte als Folge einer Eispressung bei 35 cm Flächenstärke glitt eine Schlittschuhläuferin beim Versuch das Hindernis zu überqueren auf eine schräge Scholle und glitt unter das Eis.

 

Nahe der Mündung der Spree in den Großen Müggelsee in Rahnsdorf (Bereich Müggelhort) sauste ein Schlittschuhläufer in voller Fahrt aus den Bänken kommend ins offene Wasser, das er vom Abendlicht geblendet, anscheinend nicht erkannt hatte. An der dort morschen Eiskante gelang es ihm nicht, sich in seiner durch Nässe schweren Kleidung zurück aufs Eis zu ziehen. Er ertrank in Sichtweite von herbeieilenden Helfern.

 

Eisrettung – zweckmäßiges Verhalten?

Natürlich muß man aus moralischen und übrigens auch rechtlichen Gründen bei einem Eisunfall alles Zumutbare unternehmen, sofort wirksam zu helfen. Außerdem weitere Helfer herbeirufen, Notrufe auslösen, die Feuerwehr alarmieren. Als nützlichste Rettungsgeräte, die an einigen öffentlichen Ufern auch am ehesten greifbar sind, haben sich lange Stangen, Leitern und Leinen sowie Rettungsringe an Wurfleinen erwiesen.

 

Dem Gefahrenbereich nähert man sich am besten nur liegend, möglichst auf einer Rettungsleiter. Die Leiter sollte auch nach hinten durch eine Leine gesichert werden, um Helfer und Geborgene auch von der Einbruchstelle wegziehen zu können.

 

Eine Wurfleine soll stets mit einem Wurfgewicht versehen sein, damit sie zweckgerecht geschleudert werden kann.

 

Was kann der Verunglückte selbst tun, um sich zu retten?

Zum Glück brechen die meisten Pechvögel nur teilweise ein. Etwa mit einem Bein beim Schlittschuhlauf. Dann ist es meist möglich, sich sofort auf das Eis niederzulassen und vorsichtig in tragfähige Bereiche davon zu robben. Auch Helfer dürfen sich nur ausgestreckt nähern.

 

Ist man dagegen „bis zum Hals“ drin, dann hat man die besten Chancen, wenn man sofort die Arme ausgebreitet hat und es so vermeiden konnte, auch mit dem Kopf unter Wasser zu geraten.

 

Sofort sehr laut und wiederholt „Hilfe“ rufen. Möglichst ruhig bleiben und das Eisloch nicht durch wilde Bewegungen vergrößern. Das Ziel muß es sein, die Füße auf eine feste Eiskante zu schieben. Hat man einen Stock dabei, so versucht man, diesen quer über das Loch zu legen. Verfügt man über die empfohlenen Schraubenzieher mit etwa 60 cm Verbindungsleine (s.o.), so sollen diese mit gestreckten Armen ins Eis gebohrt werden, um als Halt zu dienen.

 

Lutz Rackow, Berlin-Friedrichshagen. Alle Angaben „ohne Gewähr“ - Nachdruck nicht erlaubt, Copyright nur vom Autor. eMail: lutzrackow[at]aol.com

 

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