An das
Abgeordnetenhaus von Berlin
Petitionsausschuß
Niederkirchnerstr. 5
10111 Berlin
Dr.phil. Sigrid Strachwitz
- i.N.d. Bürgervereins Friedrichshagen e.V. -
Löcknitzstr.23
12587 Berlin 29.9.2003
Betroffene Behörde:
Bezirksamt Treptow-Köpenick, Abt. Bauen & Stadtentwicklung
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung
Schilderung des Anliegens:
Zerstörung historischer Pflasterstraßen in Friedrichshagen
Aktuelle Baumaßnahmen & Verstöße
Missbrauch von Fördermitteln
Missachtung kulturhistorischer, sozialer, wirtschaftlicher Belange
? SOFORTIGER BAUSTOPP IST GEBOTEN !
Erläuterungen... (3 Seiten, s.u.)
7 Anlagen
ERLÄUTERUNGEN
Aktuelle Zerstörung der die Ost-West-Achse des Ortes bildenden Pflasterstraßen: Aßmannstraße u. Rahnsdorferstraße, zugunsten des Baus einer Asphaltstraße
Maßnahme erfolgt im direkten Umfeld des Gartendenkmals Friedhof und des Baudenkmals Bölsche-Oberschule ( Aßmannstraße, westlichster Abschnitt)
Maßnahme erfolgt im direkten Umfeld des unter Denkmalschutz stehenden Bereichs und Ensembles Friedrichshagen
Maßnahme erfolgt innerhalb des Friedrichshagener Erhaltungsgebiets, dessen »städtebauliche Eigenart« durch Verordnung vom 24.2.1993 (Gesetzes- und Verordnungsblatt für Berlin, 49.Jg.,Nr.12, 12.März 1993) erhalten und geschützt werden soll.
Bereits erfolgte Überziehung einer Pflasterstraße mit einer provisorischen Asphaltdecke als Dauerlösung in der bis dato historisch intakten, ortsbildprägenden Lindenallee.
Maßnahme erfolgte innerhalb des Friedrichshagener Erhaltungsgebiets, dessen »städtebauliche Eigenart« durch Verordnung vom 24.2.1993 (Gesetzes- und Verordnungsblatt für Berlin, 49.Jg.,Nr.12, 12.März 1993) erhalten und geschützt werden soll.
Maßnahme erfolgte im direkten Umfeld zahlreicher, durch das Programm städtebaulicher Denkmalsschutz restaurierten Häuser.
Die aktuellen wie die bereits erfolgten Straßenbaumaßnahmen verstoßen
gegen §10 des Denkmalschutzgesetzes Berlin,
gegen die »Verordnung über die Erhaltung baulicher Anlagen und der städtebaulichen Eigenart des Gebiets "Friedrichshagen"« (v. 24.2.1993)
gegen das Berliner Straßengesetz: §7 (Abs.2, Satz 3 zur »Funktion der Straße als Aufenthaltsort, das Stadtbild und die Belange des Denkmals- und Umweltschutzes«), der beim Straßenbau innerhalb eines Erhaltungsgebiets und im Umfeld von Denkmalen (Baudenkmalen, Denkmalbereichen, Ensembles) hervorragende Berücksichtigung finden und sensibel gehandhabt werden sollte.
Der Abriss der Pflasterstraßen in Friedrichshagen bedeutet
unwiederbringlicher Verlust der historischen Substanz und des authentischen Erscheinungsbildes des Ortes (kulturhistorischer Aspekt), d.h. auch Verlust der Attraktion des Ortes für Besucher und Touristen (wirtschaftlicher Aspekt) und Verlust einer Basis für die Identifikation der Einwohner mit ihrer Umgebung (sozialer Aspekt).
Missbrauch des historischen Ortes als Steinbruch, denn die auf dem Bau-Rohstoffmarkt begehrten und teuer gehandelten Steine werden z.T. verkauft, z.T. und mit Förderung aus dem Programm städtebaulicher Denkmalschutz in der Köpenicker Altstadt wieder verbaut.
Missachtung der städtebaulichen Richtlinie zur Verminderung versiegelter Flächen, was im dörflichen Friedrichshagen, wo in weiten Teilen Schutzzonen im Rahmen des Einzugsgebiets von Trinkwasser ausgewiesen sind, um so mehr gelten müßte.
Missbrauch von Fördergeldern, denn der Abriß der Pflasterstraßen zugunsten des Baus einer Asphaltstraße (als Zubringer zum Europaradweg R 1) erfolgt durch Inanspruchnahme von Euro-, Bundes- resp. Landesmitteln zum Ausbau des Radwegenetzes und zerstört dabei das, was gerade zum Erhalt des historischen Ortskerns durch das Programm städtebaulicher Denkmalschutz geleistet wurde (im Mai dieses Jahres wurde Berlin für den Beitrag Friedrichshagen mit einer Plakette »für die Leistungen zur Bewahrung und Stärkung des historischen Ortskerns« durch die Deutsche Stiftung Denkmalschutz ausgezeichnet). Daß die auf diese Weise und mit dieser Finanzierung in Friedrichshagen abgebauten Pflastersteine dann z.T. aber wieder mit den Fördermitteln des städtebaulichen Denkmalschutzes in der Köpenicker Altstadt eingesetzt werden sollen, ist eine Verhöhnung der Geschichte Friedrichshagens wie des Förderprogramms und ein Mißbrauch von Fördermitteln.
kommunalwirtschaftliche Kurzsichtigkeit. Das Pflaster, das über 100 Jahre den Belastungen weitgehend getrotzt hat, ist in seiner robusten, frostresistenten Haltbarkeit und in der Unterhaltung auf Dauer gesehen wirtschaftlicher als der frostgefährdete gewöhnliche Asphalt, mit dem sich auch höhere Folgekosten verbinden.
regionalwirtschaftliche Kurzsichtigkeit. Denn für einen historischen Ort, der auf Tourismus als Wirtschaftsfaktor setzt resp. setzen muß - so Friedrichshagen wie der Bezirk insgesamt, ist Kopfsteinpflaster der steinerne Schatz und Reiz der Altstadt, das Kapital historischer Authentizität. -- Keine Kommune, die auf Tourismus angewiesen ist, würde historisches Pflaster - als Attraktion und Pfund, mit dem man wuchern kann - entfernen. Sogar der offizielle Wegweiser zur organisatorischen Umsetzung der europäischen Rad-Fernwanderwege präsentiert als Cover einen Radfahrer auf dem historischen Pflaster der Altstadt von Florenz; weder dort noch in Pisa, Siena oder gar Rom oder in all den »malerischen Dörfern« in anderen touristischen Regionen würde es einer Stadtverwaltung einfallen, die historischen Unebenheiten zu beseitigen, weil gerade sie den Reiz in der Raumerfahrung und die Einmaligkeit des Ortes ausmachen. Auch der Titelumschlag des Reiseprospekts »Radreisen 2003« des ADFC zeigt drei offenbar glückliche Radfahrer auf historischem Kopfsteinpflaster und im Prospekt tauchen Bilder von Altstädten mit Kopfsteinpflaster, mal mit und mal ohne Radfahrer, auf. -- Auch wenn der Radler Überlandstrecken und Verbindungen zwischen den Orten asphaltiert wünscht, so erwartet er von den Reisezielen, daß sie ihn mit einer historisch authentischen Atmosphäre, also gerade auch mit Kopfsteinpflaster empfangen.
Gerade so sollte auch ein Radweg nach und durch Friedrichshagen angelegt sein und nicht das Zerstören, was die Attraktion des Ortes ausmacht.
Für die Routenführung und die Anlage eines Radweges hätte es in Friedrichshagen viele und schonendere Alternativen gegeben.
Die Straßenbaumaßnahmen und ihr Planungsverlauf zeugen von Ignoranz gegenüber der städtebaulichen Historie und den Interessen der Bürger Friedrichshagens. Neben einem adäquaten kulturellen wie wirtschaftlichen Sensorium lässt die Bezirksverwaltung das am Bürger orientierte Demokratieverständnis völlig vermissen.
Da alle Proteste von Bürgern Friedrichshagens gegenüber Bezirks- und Senatsverwaltung, darunter eine von mehr als 200 Menschen getragene Demonstration am 15.9.2003 und Teilnahmen an Sitzungen des BVV-Ausschusses für Verkehr und Stadtentwicklung, erfolglos waren, bitten wir eindringlichst, die weitere Zerstörung des historischen Pflasters in Friedrichshagen sofort zu stoppen. Der nächste Bauabschnitt liegt im Gebiet der Erhaltungssatzung und das Vorhaben verstößt gegen sie.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. phil. Sigrid Strachwitz
(2.Vorsitzende des Bürgervereins Friedrichshagen e.V.)
7 Anlagen zur Information und Veranschaulichung:
Karte d. Senatsverwaltung f. Stadtentwicklung mit Markierung des Erhaltungsgebiets Friedrichshagen (Info z. Förderprogramm Städtebaulicher Denkmalschutz)
Karte mit Markierung sowohl des Erhaltungsgebiets, wie des Denkmalbereichs und der Einzeldenkmale Friedrichshagens in der Informationsbroschüre des Bezirksamts Treptow-Köpenick zum Erhaltungsgebiet Friedrichshagen
Text der Erhaltungssatzung (Verordnung) für Friedrichshagen
Rundschreiben Herrn Vierocks (Vorsitzender des Gemeindekirchenrats der ev. Christopherus-Kirche in Friedrichshagen) an den Bezirksbürgermeister, die Senatsverwaltung f. Stadtentwicklung, das Landesdenkmalamt etc. (Beispiel v. 22.6.03)
Antwort Herrn Dungers vom Landesdenkmalamt v. 16.6.03
Unser Schreiben an die Senatsverwaltung f. Stadtentwicklung v. 25.6.03
Antwort der Senatsverwaltung f. Stadtentwicklung v. 22.7.03